Die Bundesärztekammer (BÄK) fordert in einer Stellungnahme zur geplanten Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes und der Tabakerzeugnisverordnung den Gesetzgeber dazu auf, das Verbot von Aromastoffen deutlich auszuweiten. In ihrer Pressemitteilung vom 18.01.2023 begründen sie ihre Forderung mit der Aussage, „den Einstieg in die Nikotinabhängigkeit zu verhindern“. Der Vorschlag geht aber in eine völlig falsche Richtung.
Die BÄK bezieht sich in ihrer Pressemitteilung auf die aktuell anstehende deutsche Umsetzung europäischen Rechts bezüglich Tabakerhitzern. Diese sollen bald nur noch ohne zugesetzte Aromen verkauft werden. Das reicht der BÄK allerdings nicht, sie fordert ein Aromenverbot auch für E-Zigaretten. Dabei offenbart sie nicht nur einfache Verständnisprobleme sondern sie argumentiert auch im Widerspruch zur Forschungslage.
In Ihrer Pressemitteilung spricht die BÄK von „zugesetzten Aromastoffen“. Das ist bei Tabakerhitzern oder anderen Tabakprodukten natürlich eine richtige Beschreibung. Für E-Zigaretten ergibt diese Aussage allerdings keinen Sinn. Es ist, als würde man sagen, einem Auto sei ein Motor zugesetzt. Aromen sind bei Flüssigkeiten für E-Zigaretten integraler Bestandteil, ein irgendwie vorhandener Basisgeschmack ohne Aromenzugabe existiert schlicht nicht. Das kann man mit Tabakprodukten nur sehr begrenzt vergleichen, entsprechend muss selbstverständlich auch der Gesetzgeber hier klar differenzieren.
Weiter führt die BÄK an „Die zugefügten Aromastoffe trügen erheblich dazu bei, Nikotinprodukte wie E-Zigaretten für jüngere Konsumenten attraktiv zu machen. Die Aromenvielfalt sei einer der wichtigsten Konsumgründe von E-Zigaretten bei Jugendlichen und auch Erwachsenen“.
Die erste Aussage ist grob missverständlich, die zweite schlicht falsch. Richtig ist, dass Aromen für junge und ältere Nutzergruppen in etwa ähnlich attraktiv sind, alle entsprechenden Umfragen im In- und Ausland haben das in den letzten Jahren stabil belegt. Eine gesteigerte Attraktivität bei Jugendlichen war und ist dabei nicht erkennbar.
Die Aromenvielfalt ist allerdings ein zentraler Punkt für Umsteiger vom tödlichen Rauchtabakkonsum hin zur deutlich weniger schädlichen Nikotinsubstitution mittels E-Zigarette. In unserer Verbraucherumfrage vom Juli 2022 gaben fast 98% der 1.771 Befragten an, vor der Nutzung von E-Zigaretten Raucher gewesen zu sein. Nur 2,26% gaben an, zuvor nicht geraucht zu haben. Diese Zahlen decken sich mit allen belastbaren wissenschaftlichen Erhebungen zum Konsumverhalten. In einer anderen europaweiten Konsumentenbefragung gaben 70% von 6.283 Befragten aus Deutschland an, dass die bestehende Aromenvielfalt beim Rauchstopp und Umstieg eine entscheidende Rolle gespielt hat. Ohne diese Vielfalt wären viele davon vermutlich Raucher geblieben – mit all den negativen und oft tödlichen Konsequenzen.
Ganz anders stellt sich der Stellenwert entgegen der Behauptung der BÄK für jugendliche Einsteiger dar. Bei einer Erhebung des CDC 2019 zur Frage, warum junge Menschen erstmals E-Zigarette probiert haben war die Aromenvielfalt gerade nicht „einer der wichtigsten Konsumgründe“ sondern belegte den letzten Platz hinter Neugier und Druck durch soziales Umfeld. So stellen sich auch hierzulande die Nutzerzahlen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen seit Jahren als stabil niedrig dar. Erst zuletzt kam es zu einem sichtbaren Anstieg auf jetzt 2,5% bei den 14- bis 17- Jährigen durch den neuen Trend der Disposables, bei denen widerum nicht Aromenvielfalt sondern stattdessen vor allem Convinience im Vordergrund steht.
Ein Aromenverbot bei E-Zigaretten würde also an den Konsumzahlen bei Jugendlichen wohl kaum etwas ändern können, jedoch erwachsene Raucher vom Umstieg und damit einer potenziellen Verbesserung ihres Gesundheitszustandes abhalten. In Anbetracht der sowieso schon absurd hohen Raucherraten in Deutschland wäre ein solcher Schritt fatal, die Empfehlung der Bundesärztekammer ist in unseren Augen unverantwortlich.
Aus unserer Sicht verdienen Raucherinnen und Raucher jede Unterstützung, die irgendwie vorstellbar ist, sie müssen jede Chance nutzen können. Durch ein Aromenverbot würden Raucherinnen und Rauchern eine Option verwehrt, die sich als nahezu doppelt so wirksam herausgestellt hat, wie die leitlinienkonformen Nikotinersatzpräparate. Entsprechend absurd klingt da die Forderung der BÄK, die Attraktivität von E-Zigaretten auch für Raucherinnen und Raucher verringern zu wollen.
Bedenkt man, dass die Hälfte aller Raucherinnen und Raucher früher oder später an den Folgen des Rauchtabakkonsums stirbt appellieren wir an die Bundesärztekammer, eine pragmatischere Haltung zur Sache einzunehmen. Harm Reduction Ansätze haben schon in anderen Bereichen große Erfolge erzielt und auch die Tobacco Harm Reduction (Tabakschadensminimierung) zeigt dort, wo sie konsequent verfolgt wird große Erfolge bei der nachhaltigen Senkung der Raucherraten.
Beitragsbild: CC-BY-2.0 Autor TBEC Review
bvra
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Ein Gedanke zu „Bundesärztekammer auf Irrweg“
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