Der Umstieg vom Tabakrauch auf Produkte, die signifikant weniger Schadstoffe emittieren, wird in der Fachwelt Tobacco Harm Reduction (THR) genannt. Also eine Minimierung der möglichen Schadstoffe beim Konsum. Das ist beim Entzug von harten Drogen und der Bekämpfung tödlicher Krankheiten schon längst gängige Praxis (Methadon-Programm, HIV Prävention), deren Wirksamkeit auch nicht infrage gestellt wird. Unbedingte Voraussetzung beim erfolgreichen Entzug oder Rauchstopp ist allerdings die Bereitschaft des Süchtigen bzw. Konsumenten. Ohne seinen eigenen Willen mit dem Laster aufzuhören, wird nichts erfolgreich funktionieren.
An Rauchentwöhnungsmitteln bietet der Markt eine Vielzahl von Produkten unterschiedlichster Kategorien an. Es geht los bei einer Flut von gutgemeinten Ratgebern in Buchform, psychotherapeutische Angebote, medikamentöse Behandlung unter Aufsicht eines Arztes, Selbsthilfegruppen und eine Vielfalt von Rauchentwöhnungsmitteln aus der Apotheke (Sprays, Pflaster, Kaugummis, etc.). Angesichts der riesigen Zahl von Rauchern weltweit und damit von potenziellen Kunden bei der Rauchentwöhnung, ist dieser Markt ein gigantischer mit sehr sehr großem Wachstumspotential.
Neben all diesen etablierten Angeboten und Produkten hat sich etwa seit 2005 ein weiteres Produkt dazugesellt, dass im Unterschied zu allen anderen ein frei verkäufliches ist: die elektronische Zigarette oder E-Zigarette. Eigentlich ist es gar keine Zigarette im herkömmlichen Sinne, aber die ersten Geräte auf dem Markt sahen vom Design her tatsächlich so aus – incl. einer LED-„Glut“ an der Spitze. Viele erinnern sich noch gut an dieses Gimmick, das man seinerzeit an so mancher Tankstelle erwerben konnte. In dieser Zeit hat sich der Begriff „E-Zigarette“ im Sprachgebrauch etabliert, obwohl es technisch gesehen ein Verdampfer ist.
Im Gerät wird ein Liquid erhitzt, das bei einer Temperatur ab 188 Grad (Siedepunkt vom PG) seinen Aggregatzustand von flüssig in gasförmig ändert. Von außen betrachtet mag es sehr ähnlich aussehen, ob jemand dampft oder raucht. Aber physikalisch und chemisch betrachtet könnte der Unterschied kaum größer sein. Wenn man seine Nase über den Holzkohlegrill hält, atmet man Rauch ein. Inklusive einer Hundertschaft von toxischen und krebserregenden Verbindungen, die nur bei einer Verbrennung entstehen. Wer einen Aufguss in einer Sauna mitmacht, der atmet Wasserdampf ein. Meist wird der Aufguss aromatisiert, um das Wohlbefinden zu steigern oder die Atemwege frei zu bekommen. Und auch der berühmte Diskonebel oder der raumfüllende Nebelvorhang bei manchen Konzerten ist nichts anderes als Dampf. Sogar mit derselben Grundsubstanz (pflanzliches Glycerol), die auch in E-Liquids den größten Anteil bildet, mit 50 bis 70 Vol.%.
Der Erfolg der E-Zigarette beim Rauchstopp ist im Wesentlichen durch zwei Faktoren begründet:
- Wer vollständig umsteigt (also ohne noch weiter zu rauchen), merkt das sehr schnell an seiner Physis. Geruchs- und Geschmacksinn kehren zurück, das Treppensteigen fällt genau wie andere körperliche Anstrengungen wieder leichter. Lungenfunktionswerte bessern sich genau wie die Blutwerte. Was die E-Zigarette jedoch nicht kann, ist die Rückbildung einer bereits aufgetretenen Erkrankung wie COPD oder Krebs.
- Der wahrscheinlichste größte Suchtfaktor beim Rauchen ist die Gewohnheit. Und genau die muss der Umstiegswillige nicht sofort ändern. Er behält seine Rituale bei, nimmt aus der Gleichung aber alle Verbrennungsstoffe heraus, die langfristig zu Krankheit und Tod führen.
Nur wenige Staaten dieser Welt haben dieses Prinzip der Schadensminimierung als gangbaren Weg erkannt. Sie fördern schadensminimierte Produkte als einen bedeutenden Baustein zum Rauchstopp und haben damit sehr großen Erfolg. Großbritannien etwa hat das Swap-to-Stop Programm ins Leben gerufen. Wer mit dem Rauchen aufhören will, kann kostenlos eine erste E-Zigarette als Hilfsmittel erhalten. Der Erfolg der E-Zigarette als Mittel zum Rauchstopp wurde nun von der britischen Gesundheitsorganisation Action on Smoking and Health (ASH) in einer Pressemitteilung vom 12.08.2024 mit folgendem Satz betitelt:
„Fast drei Millionen Menschen in Großbritannien haben in den letzten 5 Jahren mit einer E-Zigarette mit dem Rauchen aufgehört.“
ASH führt regelmäßig Befragungen in der Bevölkerung durch, so wie DEBRA in Deutschland. Wo in Deutschland alle 2 Monate etwa 5.000 repräsentativ ausgesuchte Personen befragt werden, waren es in Britannien 13.266 im Februar und März 2024. Die Befragung ergab, dass 53% aller Personen, die in den letzten 5 Jahren mit dem Rauchen aufgehört hatten, dies mit Hilfe der E-Zigarette geschafft haben. Somit war die E-Zigarette das bei Weitem erfolgreichste Produkt zur Rauchentwöhnung. Die Umfrageergebnisse zeigten aber auch, dass das Dampfen von einem Großteil der Bevölkerung fehleingeschätzt wird. Und das, obwohl Gesundheitsorganisationen, Ärzte und sogar Krankenhäuser die E-Zigarette in ihr Repertoire für Rauchentwöhnungsmittel aufgenommen haben und sie auch aktiv fördern.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Negative Schlagzeilen rund um die E-Zigarette haben ihre Spuren hinterlassen, auch wenn sich alles als Fake herausstellte oder es keinen kausalen Zusammenhang gab. Die WHO kämpft vehement gegen die E-Zigarette, obwohl sie als eine der drei Säulen zum Rauchstopp auch die Schadensminimierung definiert hat. Programmpunkte dazu sucht man auf deren Veranstaltungen jedoch vergebens. Das wird einfach ausgeklammert und ignoriert. Und dann ist da noch die große Mehrheit der Nichtraucher. Für die sieht beides ja irgendwie gleich aus. Also muss es auch gleich schädlich sein?! Das Thema Rauchen tangiert diese Gruppe nicht, daher gibt es auch keine Bereitschaft, sich mit dem komplexen Thema näher zu befassen. Man nimmt vielleicht gerade noch die meist negativen Schlagzeilen war und bildet sich darüber seine Meinung. Das ist sogar durchaus verständlich und keineswegs abwertend gemeint.
Das größte Problem bei der Rauchentwöhnung sind aber die meisten Raucher selbst. Obwohl sie um die Schädlichkeit des Tabakkonsums wissen, ist es ihnen oft völlig egal. Nur wenn sich erste Symptome zeigen oder der Arzt eine sehr unschöne Diagnose stellt, ist das ein Grund, einmal über eine Rauchentwöhnung nachzudenken. Aufklärungskampagnen verpuffen oft, weil sie die Zielgruppe der aktiven Raucher nicht erreichen. Den vielzitierten Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik vom Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert (SPD), können wir seit seinem Amtsantritt leider nicht erkennen.
Beitragsbild von Pexels by Ernst-Günther Krause
bvra
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