Anlass ist eine Meldung im online Portal von ZDFheute am 02. Mai 2023. Demnach spricht sich der Bundesdrogenbeauftragte für ein weitreichendes Verbot von Aromen in E-Zigaretten aus. Wir nehmen als unabhängiger Konsumentenverband der E-Zigaretten Nutzer dazu Stellung.
Sehr geehrter Herr Blienert,
genau wie Sie sind auch wir sehr besorgt über die aktuell viel zu hohen Raucherquoten in Deutschland. Über alle Altersklassen hinweg liegt diese bei derzeit 35,5%. In der kritischen Altersgruppe der 14-17 jährigen liegt sie bei erschreckenden 15,9%. Das ist der höchste Wert seit sehr langer Zeit.
Die Prävalenz für E-Zigaretten liegt dagegen bei 3% in der Altersgruppe 14-17 Jahre. Selbst dieser Wert ist angestiegen, denn in den letzten Jahren war die Prävalenz nur irgendwo zwischen 0,8 und 1,9 %. Den Anstieg dieser Zahlen führen wir auf die massenweise Verfügbarkeit der Einweg-Systeme (Disposables) als Convenience Produkt seit Anfang 2022 zurück. Und dort allein liegt eben das Problem!
Problemfall Einweggeräte
Wir wären ohne Abstriche dabei, wenn Sie ein unmittelbares Verbot oder eine drastische Sondersteuer auf entsprechende Einweggeräte fordern würden. Entsprechende Positionen vertreten wir als Verband schon seit 2021. Diese Produkte nutzt kaum ein Rauchumsteiger, maximal in Einzelfällen aus Neugier. Die klassische E-Zigarette oder auch nachhaltige Podsysteme (wiederbefüllbar, aufladbar) finden sich primär im Fachhandel. Der Käufer muss sich damit auseinandersetzen, er benötigt Nachschub an Liquids und die Erstanschaffung ist höher im Preis. Zudem hat der Jugendschutz im Fachhandel einen entsprechenden Stellenwert. Billige Einweggeräte jedoch findet man auch in Supermärkten, Kiosken, Tankstellen, Shishaläden und sonstigen freien Verkaufsstellen incl. Online Portalen. Dort ist der Jugendschutz selten ausreichend gewährleistet, viele der Geräte sind zudem auch anderweitig nicht rechtskonform oder sogar gefährlich. Aromenvielfalt für E-Zigaretten gibt es seit 17 Jahren, einen Anstieg der Nutzung bei Jugendlichen gab es allerdings nur an 2 Stellen: Einmal kurzzeitig nach Markteintritt der Juul in den USA und dann 2021 mit Aufkommen des Wegwerf-Trends. In beiden Fällen ist Convinience und Verfügbarkeit der entscheidende Faktor.
Convinience und Verfügbarkeit inkl. mangelndem Jugendschutz sind das Problem, Aromen sind es nicht!
Aromen produzieren keine neuen Raucher – ganz im Gegenteil
Während Aromen in E-Zigaretten (und auch Nikotinersatzprodukten der Pharmaindustrie) ein Schlüsselfaktor für den umstiegswilligen Raucher weg vom Tabak sind gibt es keinen belastbaren Beleg für einen umgekehrten Effekt. Von angenehmen Aromen wie Erdbeere oder Kuchen wechselt niemand freiwillig zum brandigen Lagerfeuergeschmack einer Tabakzigarette, schon die Behauptung ist absurd. Der immer wieder politisch behauptete Gateway Effekt von der E-Zigarette zur Tabakzigarette ist schlüssig und eindeutig wissenschaftlich widerlegt, auch die Entwicklung der Nutzerzahlen sprechen da eine eindeutige Sprache – sowohl in Deutschland als auch international.
Allgemeines Aromaverbot hilft der Tabakindustrie
Aromen und die Vielfalt der Geschmacksrichtungen sind für ehemalige Raucher ein wesentlicher Anreiz, um auf das massiv weniger schädliche Produkt E-Zigarette umzusteigen und nicht mehr zu rauchen. Wie bedeutend ein angenehmer Geschmack ist, sieht man bereits an den Sprays der Pharmaindustrie als Nikotinersatzprodukt. Nehmen wir als Beispiel das Produkt Nicorette. Das Spray gibt es in den Geschmacksrichtungen „mint“ und „fruit & mint“. Auf dem Werbebild sind Minzblätter, Erdbeeren, Blaubeeren und Johannisbeeren abgebildet.
Was glauben Sie wohl, was passiert, wenn man hier nur noch Tabakgeschmäcker zulassen würde? Ziemlich sicher lägen diese Produkte dann wie Blei in den Regalen der Apotheken. Der ausstiegswillige Raucher will nicht ständig an seine alte Sucht erinnert werden. Das weiß auch die Pharmaindustrie und genau deswegen werden auch NRT’s mit fruchtigen Aromen angeboten, die kauft sonst niemand mehr. Der Erfolg von Nikotinersatzprodukten (ob Präparate der Pharmazeutik oder die E-Zigarette als Substitut) fußt im Wesentlichen auf dem angenehmen Geschmackserlebnis jenseits vom Tabak. Nehmen Sie diese Komponente weg, werden erheblich weniger Menschen mit dem Rauchen aufhören wollen, nicht wenige Umsteiger werden auch ins Rauchen zurückfallen.
Aromenverbote für Alternativprodukte helfen der Tabakindustrie beim Zigarettenabsatz!
Thema Werbeverbot
Das Werbeverbot ist seit 2021 beschlossene Sache. Tabakwerbung sieht man außerhalb der Verkaufsstellen gar nicht mehr, Tabakerhitzer dürfen auch nur noch dieses Jahr beworben werden. Und E-Zigaretten maximal bis Ende 2023. Das gilt für Plakatwerbung im öffentlichen Raum. Alles andere (Printmedien, TV, Rundfunk, Internet, Kino und Presse) ist bereits untersagt. Sponsoring und Gewinnspiele ebenfalls schon seit 2021.
Wir sehen das Problem eher in der Verfolgung der Verstöße gegen diese Verbote. Jugendaffine Plattformen wie TikTok bieten genau dort zahlreiche Möglichkeiten. Die Kontrolldichte in diesem Bereich ist allenfalls homöopathisch zu nennen. Dabei haftet grundsätzlich nicht nur der Ersteller des verbotenen Inhalts, sondern auch die Plattform selbst, Hebel gäbe es entsprechend genug.
Sie fordern ebenfalls ein komplettes Werbeverbot selbst an den Verkaufsstellen. Das käme zusammen mit dem geforderten Aromaverbot einer Prohibition gleich. Das Dampfen als Alternative zum Rauchen bekommen Sie nicht wieder weg. Sie erschaffen damit nur einen völlig unkontrollierbaren Schwarzmarkt. Die von Ihrer Partei initialisierte Liquidsteuer wäre damit auch obsolet. Die Gewerkschaft der Polizei nannte die Einfuhr der Liquidsteuer ein „Startup für Kriminelle“. Wir hätten uns eher Gegenmaßnahmen gewünscht, als dass dieses Problem durch Sie noch weiter verschärft wird.
Aber die SPD unter Führung des ehemaligen Finanzministers darf sich freuen: die Steuereinnahmen aus tödlichem Rauchtabak bleiben auf hohem Niveau!
Das umfängliche Werbeverbot für Tabakzigaretten ist längst da – und es bewirkt rein gar nichts. Die Raucherzahlen sind so hoch wie schon lange nicht mehr.
Erklären Sie den Widerspruch!
Bei Ihrem Amtsantritt verkündeten Sie, dass Sie wissenschaftlich evidenzbasiert handeln wollten. Davon merken wir Verbraucher und auch anerkannte Wissenschaftler gar nichts. Die allermeisten Studien werden schlicht ignoriert, sofern sie nicht mit der Linie Ihrer Partei übereinstimmen. Bei Anfragen zum Thema E-Zigaretten bei der SPD bekommen wir nach wie vor dieselben inhaltsleeren Textbausteine, wie schon im letzten Bundestagswahlkampf. Ein offener Diskurs zu den Fakten sieht anders aus.
Auf der anderen Seite zeigen Sie beim Thema Cannabis Legalisierung ein völlig anderes Gesicht. Über Jahrzehnte war dies ein verbotenes Produkt, das aber niemals vom Markt verschwand. Der Schwarzmarkt dominierte den Handel und machte richtig gutes Geld. Der Staat ging dabei komplett leer aus. Nun diskutieren wir also eine Legalisierung einer einst verbotenen Substanz, um das Schwarzmarktproblem irgendwie in den Griff zu bekommen.
Bei der E-Zigarette handeln Sie genau in die entgegengesetzte Richtung: Mit Ihren Ideen zur E-Zigarette verbieten Sie de facto ein unproblematisches Produkt und erschaffen einen blühenden Schwarzmarkt. Nur, um ihn dann Jahre später doch wieder zurück zu nehmen? Lernt man nichts aus geschichtlichen Fehlern, selbst dann nicht, wenn man sie selbst gemacht hat? Das Aromen- und Produktverbote in Teilen der USA führte nur zu steigenden Raucherzahlen und konnte das Produkt E-Zigarette als wesentlich weniger schädliche Alternative dennoch nicht verdrängen.
Die häufigste Konsumform von Cannabis ist übrigens das Rauchen zusammen mit Tabak. Ein Schelm, wer da auf böse Gedanken kommt!
Offenbar kommt absolut niemand auf die Idee, einmal nach Schweden oder Großbritannien zu schauen. Länder, die sehr erfolgreich sind in ihrem Bestreben rauchfrei zu werden, mit durchaus verschiedenen Ansätzen. Länder, die schon jetzt eine beneidenswert niedrige Raucherquote in Europa haben. Länder, die begriffen haben, dass eine evidenzbasierte maßvolle Regulierung sehr viel wirksamer ist, als reine Verbotskultur. Dort zeigt sich: Es sind die maßvoll regulierten Alternativen zum Tabakrauchen, welche die Raucherraten niedrig halten.
Wir fordern Sie auf, Herr Blienert, Ihr Versprechen nach faktenbasierten Entscheidungen nun auch umzusetzen! Reden Sie mit allen Akteuren, die zu einer maßvollen Meinungsbildung und zielgenauen Regulierung beitragen können.
Das Rauchen ist ein sinkendes Schiff. Was Sie grade für E-Zigaretten fordern ist, die Rettungsboote zu verbrennen!
Im Namen aller Konsumentinnen und Konsumenten von E-Zigaretten
Der Vorstand des BVRA e.V.
Bild-Quelle: https://www.bundesdrogenbeauftragter.de/beauftragter/ von Thomas Ecke
bvra
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