Das von Karl Lauterbach (SPD) geführte Bundesministerium für Gesundheit (BMG) arbeitet zur Zeit an einem „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (CanG). Dabei handelt es sich um die im Koalitionsvertrag der Ampel (SPD, Grüne, FDP) vereinbarte Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Cannabis. Für Konsumentinnen und Konsumenten von E-Zigaretten sind hierbei die Änderungen weiterer Vorschriften lesenswert: Angehängt an das CanG soll auch das Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNichtrSchG) dahingehend geändert werden, dass das Dampfen mit dem Rauchen gleichgesetzt wird.
Anfang Juli hatte das BMG den Entwurf des CanG, inklusive angehängter Begründungen, vorgelegt. Innerhalb dieser Begründungen wird die angestrebte Gleichstellung im BNichtrSchG mit möglichen Gesundheitsgefahren durch passiven Konsum von Dampf gerechtfertigt. Leider erfolgte dies ohne vorherige parlamentarische oder mediale Debatte und der Tenor lässt auf eine einseitige und voreingenommene Beratung des BMGs schließen.
Bis Ende Juli hatten betroffene Verbände die Möglichkeit Stellungnahmen zum Entwurf abzugeben. Dies wurde mit über 50 Stellungnahmen auch ausgiebig genutzt, wobei sich die meisten Verbände auf Fragen zu Cannabis konzentrierten. Trotzdem gab es auch einige kritische Stimmen zu den Änderungen im BNichtrSchG.
Stellungnahme des Bundesverbandes Rauchfreie Alternative e.V. (BVRA)
Als Konsumentenverband ohne wirtschaftliche Interessen oder Einflüsse haben wir uns in unserer Stellungnahme auf die Auswirkungen der Änderung sowohl auf die Konsumentinnen und Konsumenten von E-Zigaretten, wie auch auf die Millionen von Raucherinnen und Rauchern, konzentriert.
Dabei haben wir vor allem betont, dass eine Vielzahl an Untersuchungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Belastung der Umgebungsluft durch die Benutzung von E-Zigaretten dermaßen gering ist, dass keine Gesundheitsgefahr anzunehmen ist. Darüberhinaus legen wir dar, dass bereits jetzt eine große Zahl an Rauchern die E-Zigarette fälschlich für gleich oder noch schädlicher als Verbrennungszigaretten hält und eine gesetzliche Gleichstellung diese Wahrnehmung noch weiter ausbauen würde. Außerdem bemängeln wir den Umstand, dass die Änderung nicht breit diskutiert wurde und wird. Unser Fazit lautet:
„Der gesamte Grundgedanke des CanG ist die Schadensminimierung, weil die reine Prohibition eine Vielzahl von Problemen aufgeworfen hat, wie man heute weiß. Es ist absolut widersinnig innerhalb dieses Gesetzes diesen Grundgedanken zu konterkarieren. […] Die Botschaft des jetzigen Entwurfes lautet: nur Rauchen ist in Ordnung.“
Stellungnahme des Bundesverbandes für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik e.V. (akzept)
Der akzept e.V. wurde 1990 gegründet und ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Praktikern und Forschern, Professionellen und Betroffenen, Sozialarbeitern, Medizinern, Juristen und drogenpolitisch engagierten Personen und Verbänden. Er setzt sich für akzeptierende Drogenarbeit auf Basis von Hilfen und Unterstützungen zur Vermeidung bzw. Reduzierung nicht beabsichtigter Schäden sowohl für den Konsumenten als auch für die Gesellschaft ein und ist Mitherausgeber des Alternativen Drogen- und Suchtberichts.
In seiner Stellungnahme kommt der akzept e.V. bezüglich der Gleichstellung zu einem eindeutigen Fazit:
„Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes
Diese sachfremde Änderung hat nichts in der alleine schon ausreichend komplexen Diskussion um Cannabis und Säule eins verloren.“
Stellungnahme des Schildower Kreis
Der Schildower Kreis ist ein Netzwerk von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis, welches auf die schädlichen Folgen der Drogenprohibition aufmerksam machen und legale Alternativen zur repressiven Drogenpolitik aufzeigen will. Es wird von den Verantwortlichen eine alternative Drogenpolitik und eine ideologiefreie und wissenschaftliche Überprüfung von Schaden und Nutzen der aktuellen Drogenpolitik gefordert.
In seiner Stellungnahme fordert der Schildower Kreis die geplante Änderung zurückzunehmen und findet dafür drastische Worte:
„Die definitorische Subsumierung unter “Rauchen” seitens des Gesetzgebers widerspricht jedoch der wissenschaftlichen Evidenz: Jegliche Konsumformen, bei denen ohne Verbrennungsprozess inhaliert wird, sind weitaus weniger schädlich für die Atemwege als das Rauchen. Zudem sind Gefahren durch “Passiv-Dampfen” von E-Zigaretten zu vernachlässigen. Eine derart sachlich falsche Wortwahl könnte den in Deutschland immer noch starken Widerstand gegenüber weniger schädlichen Alternativen zum Rauchen weiter stärken (nachdem er zuletzt bereits seitens der alten Bundesregierung mit der Reform des Tabaksteuergesetzes gestärkt wurde). Während man in anderen Ländern mit einer positiveren Haltung zu schadensreduzierten Alternativen die Raucherquoten bereits deutlich senken konnte, ist der Anteil der Rauchenden in Deutschland zuletzt wieder merklich gestiegen.“
Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Die Gewerkschaft der Polizei, welche für die Kontrolle und Durchsetzung eines neuen BNichtrSchG verantwortlich wäre, sieht die Änderung ebenfalls kritisch.
In ihrer Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass die personelle Ausstattung für Kontrollen bereits jetzt zu gering sei und auch die praktische Umsetzbarkeit (z.B. das Feststellen einer Schwangerschaft) erhebliche Schwierigkeiten beinhaltet. Fazit:
„Hierneben ist aus Sicht der GdP der Umstand zu beachten, dass die geltenden (polizei)rechtlichen Rechtsgrundlagen zur Anhaltekontrolle von Fahrzeugen, die […] zu den wenigen erfolgversprechenden Maßnahmen zur Überwachung der Einhaltung des neu vorgeschlagenen Rauchverbots zählen dürften, dem eigentlichen Zweck der Erhöhung bzw. Sicherstellung der Verkehrssicherheit dienen; nicht aber primär dem Zweck, die Einhaltung von Vorgaben des Nichtraucherschutzes sicherzustellen. Insofern müssten – so denn mehr als ein rein deklaratorisch-symbolisches, nicht zu kontrollierendes Rauchverbot im Auto das Ziel des Gesetzgebers sein sollte – die Befugnisse zum Anhalten von Fahrzeugen bzw. zur Kontrolle des Verkehrs auch auf andere als die bisher gängigen Zweck ausgeweitet werden.“
Stellungnahme des Bündnis für Tabakfreien Genuss e.V. (BfTG)
Das BfTG ist ein Zusammenschluss von Unternehmen der E-Zigaretten-Branche, ein Händlerverband. Dieser distanziert sich explizit von Unternehmen der Tabakindustrie.
In seiner Stellungnahme legt das BfTG dar, dass es keine Anzeichen auf eine Gefährdung Dritter durch E-Zigaretten gibt und das Rauchern die geringere Schädlichkeit von E-Zigaretten nicht ausreichend bekannt ist. Das Fazit lautet:
„Die E-Zigarette kann einen Beitrag zur Senkung der hohen Raucherquote in Deutschland leisten. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen jedoch ausreichend – und ohne irritierende Signale – darüber erfahren.“
Stellungnahme von Philip Morris
Philip Morris ist der weltweit größte privatwirtschaftliche Hersteller von Tabakprodukten. Zum Sortiment gehören u.a. Marlboro, aber auch der Tabakerhitzer IQOS.
Erwähnenswert an dieser Stelle ist die Stellungnahme, weil ihr ein juristisches Gutachten angehängt ist. Dieses kommt zu dem Schluss, dass:
„Art. 6 Nr. 1 CannG-E verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und -klarheit sowie gegen das daraus abzuleitende Konsistenzgebot. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Bestimmungen in sich widerspruchsfrei sein. Die Bundesregierung missachtet dies bei der geplanten Erweiterung des Begriffs „Rauchen“.“
Es gab aber auch Zustimmung
Erwartungsgemäß fanden Verbände und Organisationen, die seit Jahren schon das Prinzip der Tobacco Harm Reduction in der Tabakkontrolle negieren, diese Gleichstellung von Rauch und Dampf völlig in Ordnung oder begrüßen sie sogar (exemplarisch Pro Rauchfrei e.V.). Dass dabei chemische Grundbegriffe und Definitionen willkürlich vermischt werden, ist ihnen vollkommen egal, so lange es in ihre Weltanschauung passt. Rauch enthält immer auch feinste Partikel, also Festkörper, die nachweislich für Krebserkrankungen und COPD verantwortlich sind. Diese fehlen jedoch im Dampf, der ausschließlich aus Aerosolen besteht, die vom Lungengewebe rückstandsfrei absorbiert werden. Mit der gesetzlichen Gleichstellung wird dieser chemische Unterschied ad absurdum geführt und ist womöglich sogar juristisch angreifbar.
Wie geht es weiter?
Noch im August soll das CanG – und damit auch die Gleichstellung der E-Zigarette mit der Verbrennungszigarette im BNichtrSchG – ins Kabinett. Karl Lauterbach sagte laut Medienberichten dazu, dass es „noch kleine Änderungen“ geben könnte. Als Konsumentenverband gehen wir zur Zeit nicht davon aus, dass damit eine Richtigstellung der wissenschaftlichen Evidenz oder eine Korrektur der sachlich falschen Wortwahl bezüglich der E-Zigarette gemeint ist. Vielmehr drängen sich Erinnerungen an die Liquidsteuer (TabStMoG) auf. Auch hier wurden zahlreiche Stellungnahmen seitens Experten, Praktikern und Konsumentenvertretern von SPD und CDU schlicht ignoriert.
Beitragsbild erstellt mit craiyon.com
bvra
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3 Gedanken zu „Stellungnahmen zur Gleichstellung der E-Zigarette“
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