Am 17.01.2024 hat die Thrombose-Initiative e.V. eine Pressemitteilung herausgegeben, in der die kontroverse öffentliche Debatte um die E-Zigarette beleuchtet wird. Die Thrombose-Initiative e.V. mit ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. med. Knut Kröger, beschäftigt sich seit ihrer Gründung 2005 mit grundlegenden Informationen zum namensgebenden Krankheitsbild und der möglichen Risikoprophylaxe von Gefäßerkrankungen. Im Ergebnis stehen die Gefäßmediziner dem Gedanken der Minimierung von tabakbedingten Schäden durch den Wechsel auf rauchfreie Alternativen sehr viel offener gegenüber, als andere Fachgesellschaften (z.B. die Pneumologen).
Tobacco Harm Reduction (THR), also die Minimierung von Tabakschäden, ist gerade in der Tabakkontrolle ein Reizwort, das zu einem vehementen Abwehrverhalten führt. Fast jedem, der mit Harm Reduction argumentiert, wird nahezu reflexartig unterstellt, er sei von der Tabaklobby unterwandert oder wenigstens finanziert und beeinflusst. Dieses Framing funktioniert bei einer medizinischen Fachgesellschaft wie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) oder der Cochrane Gesellschaft natürlich nicht. Daher ist die Aufklärungsarbeit solcher Fachverbände gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Die WHO Framework Convention of Tobacco Control (FCTC) erwähnt THR zwar als Möglichkeit, schweigt aber beharrlich zu dem Thema. Stattdessen setzt man auf die Verringerung von Angebot und Nachfrage durch Marktregulierung und Verbote. „Quit or die“ (hör auf zu rauchen oder stirb daran), oder allenfalls pharmazeutisch vermarktete Nikotinprodukte für den Rauchstopp werden von der WHO seit Jahren propagiert, Harm Reduction wird dagegen aggressiv ignoriert. Wissenschaftliche Evidenz wie der Cochrane Report zur Wirksamkeit verschiedener Methoden zum Rauchstopp, zuletzt aktualisiert am 08. Januar 2024, scheint im Rahmen der WHO Tabakkontrolle keine Bedeutung zu haben.
Das hat natürlich richtungsweisende Auswirkungen auf die Tabakkontrollpolitik der WHO-Mitgliedsstaaten. Deshalb fordert die Thrombose-Initiative e.V. die Politik eindringlich auf, die Debatte um die E-Zigarette zu versachlichen. Im Fokus der Öffentlichkeit steht derzeit die Verbreitung unter jugendlichen Nutzern durch Einweg Produkte (Disposables). Dabei wird der Nutzen für erwachsene Raucher und Umstiegswillige oft ausgeblendet. Die Politik muss also den Spagat schaffen, die Attraktivität für Jugendliche durch sinnvolle Regulierung zu vermindern, ohne dabei ehemalige Raucher, Umsteiger und Risikopatienten stark zu behindern.
Der Schutz von jugendlichen Nichtrauchern muss genauso im Fokus stehen, wie Hilfestellungen für die durch Folgeerkrankungen besonders gefährdeten erwachsenen Langzeitraucher. (Zitat aus der Pressemitteilung vom 17.01.2024)
Die Thrombose-Initiative kritisiert bei den veröffentlichten Zahlen der DAK Gesundheit und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), dass der durch Neugier bedingte Probierkonsum bei Jugendlichen nicht zwangsläufig zu einer Abhängigkeit führt. Aber genau das wird immer wieder suggeriert. Abhängigkeitsmerkmale wie z.B. die tägliche Nutzung werden nicht genügend berücksichtigt. Und da rangiert die E-Zigarette mit nur 0,1% einsam an letzter Stelle des Rankings der Prävalenz für Abhängigkeiten. Tabakzigaretten haben schon eine Prävalenz von 1,7% und Spitzenreiter im Ranking ist der Alkohol mit unglaublichen 10,1%.
Das Vorsorgeprinzip im Jugend- und Nichtraucherschutz und das Konzept der Schadensminimierung zum Schutz vor Erkrankungen unter Rauchern müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Vielmehr muss das ergänzend betrachtet werden. Die Mehrheit der Raucher will eigentlich gar nicht aufhören und lässt sich mit Kampagnen und Leitlinien nur schwer erreichen. Für diese Menschen brauchen wir eine gangbare Alternative.
Auf den Effekt von Verboten zu hoffen, kann bei den unverändert hohen Raucherzahlen in Deutschland keine Option mehr sein.
Diesem Schlusssatz ist aus unserer Sicht nichts mehr hinzu zu fügen!
Beitragsbild von andriano_cz – stock.adobe.com
bvra
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Ein Gedanke zu „Harm Reduction aus medizinischer Sicht“
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