Am 12. Oktober 2022 fand am Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences eine Online-Tagung zum Thema Harm Reduction statt, Titel war „5 % bis 2040 – schaffen wir das? – Erfolgversprechende Rauchentwöhnungsstrategien“. Dort diskutierten ausgewählte Expertinnen und Experten aus der Forschung über die Frage, wie die Rauchprävalenz bis 2040 auf unter 5 Prozent gesenkt werden kann. Das Fazit war am Ende ernüchternd: Die Gesundheitschancen der E-Zigarette für Raucherinnen und Raucher zur Rauchentwöhnung werden in der deutschen Öffentlichkeit und selbst Fachöffentlichkeit weiterhin massiv unterschätzt. Für den BVRA e.V. sprach auf der Veranstaltung der 1. Geschäftsführende Vorsitzende Simon Bauer.
Der Vortrag und die weitere Debatte, u.a. auch rund um die Frage der sog. Disposables führte im Nachgang der Veranstaltung zu einer ganzen Reihe von Gesprächsangeboten durch Zuschauer aus Forschung und Industrie, die wir gerne wahrnehmen werden. Für den Verband war die Teilnahme entsprechend ein großer Erfolg. Nicht nur, dass wir den Konsumentinnen und Konsumenten eine Stimme geben konnten, sondern wir haben uns auch als ernstzunehmender Ansprechpartner empfehlen können.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Fachtagung im Überblick veröffentlichte das Institut für Suchtforschung in einer Pressemitteilung, die wir hier weitestgehend wiedergeben, aber zusätzlich durch Links zu den Videoaufnahmen der Vorträge ergänzen. Die Folienvorträge/Präsentationen sind noch nicht alle verfügbar, diese werden zeitnah hier im Artikel ergänzt.
In seinem Grußwort machte Dr. Artur Schroers, der Drogenbeauftragte der Stadt Frankfurt deutlich: „Es muss sowohl Möglichkeiten des Um- als auch des Ausstiegs geben. Mehr Menschen hören mit dem konventionellen Rauchen auf, wenn sie nikotinhaltige E-Zigaretten benutzen. Auch beim Rauchen müssen wir Abschied nehmen von ideologisch motivierten Wegen und Harm Reduction endlich berücksichtigen.“
Video: Grußwort Dr. Artur Schroers (Drogenbeauftragter der Stadt Frankfurt)
Präsentation: noch nicht verfügbar
Prof. Dr. Martin Storck, Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe sagte: „Beim Ausstieg entscheidet sich ein signifikanter Anteil der Raucher für den Umstieg auf die E-Zigarette. Auch wenn die Rauchentwöhnung das Ziel bleibt, ist nach heutiger Datenlage der Umstieg auf die E-Zigarette eine der erfolgreichsten Methoden zum Erreichen einer Abstinenz von Zigarettenrauch. Dual Use (Konsum von sowohl E-Zigaretten wie auch gelegentlich Tabakzigaretten) kann dabei eine Hilfestellung sein. Entscheidend ist die Anzahl der gerauchten Zigaretten.“ Aus Sicht eines Gefäßmediziners sei es wichtig, dass diese reduziert werde.
Video: Dual Use – Prof. Martin Storck
Präsentation: noch nicht verfügbar
Delon Human (Health Diplomats) unterstrich die Notwendigkeit, den Tobacco Harm Reduction-Ansatz in der nationalen Gesundheitspolitik zu verankern: „Tobacco Harm Reduction muss komplementär zur Tabakkontrollpolitik eingeführt werden, um die Tabakepidemie endlich in den Griff zu bekommen.“
Video: R.E.S.E.T. (Englisch)
Präsentation: noch nicht verfügbar
Univ. Doz. Dr. Ernest Groman gab wertvolle Einblicke in seine Arbeit der Betrieblichen Gesundheitsförderung. Die zielorientierte Planung, Organisation und Durchführung von betrieblichen Rauchentwöhnungsprogrammen, die er im gesamten österreichischen Bundesgebiet in zahlreichen Betrieben durchführte, beschrieb er so: „Ziel ist es, den Patient:innen bei dem Umstieg auf ein weniger schädliches Produkt zu helfen. Jede Zigarette, die die nicht geraucht wird, ist ein Gewinn für die Patienten.“
Video: Betriebliche Gesundheitsförderung / Rauchentwöhnung
Präsentation: noch nicht verfügbar
Prof. Dr. Bernd Mayer vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaft an der Universität Graz meint, ein hoher Widerspruch im wissenschaftlichen Diskurs zu Nikotin liege in der Betrachtung von Nikotin. „Der Krieg gegen das Rauchen wird zum Krieg gegen das Nikotin und das, obwohl es keine Evidenz für erhöhtes kardiovaskuläres Risiko durch Nikotin gibt. Nikotin erhöht nicht das Risiko für Atherosklerose (Schlaganfall, Herzinfarkt). Raucher:innen sterben nicht an ihrer Abhängigkeit vom Nikotin, sondern an den toxischen Wirkungen von Tabakverbrennungsrauch.“
Video: Nikotin – schuld an allem?
Präsentation: noch nicht verfügbar
Dr. Konstantinos Farsalinos von der Universität Patras/Griechenland meint: „Verbannt man E-Zigaretten mit Geschmack, kommt das einem Verbot von E-Zigaretten gleich.“ Da diese in der Rauchentwöhnung weniger schädlich seien, wäre dies nicht zielführend. „Besonders für Erwachsene ist es in der Rauchentwöhnung wichtig, ihnen Alternativen mit Geschmack anzubieten.“ Aromen sollten daher nicht an den Rand gedrängt werden. „We have to accept: flavours are there for everyone“.
Video: „Jetzt wird’s geschmacklos“ – Debatte um Aromen (Englisch)
Präsentation: noch nicht verfügbar
Simon Bauer vom Bundesverband Rauchfreie Alternative e.V. (BVRA): „Aus der Sicht unseres Konsumentenverbands gibt es Verständigungsschwierigkeiten zwischen Wissenschaft und Politik. Oft werden die Risiken von der Politik falsch eingeschätzt und Aussagen zu E-Zigaretten nicht ins Verhältnis zum schädlichen Konsum konventioneller Zigaretten gesetzt.“
Video: Aromen – Relevanz aus Sicht der Verbraucher
Dr. Bernd Werse vom Centre of Drug Research der Goethe Universität Frankfurtresümierte aus vorläufigen Ergebnissen der jüngsten Untersuchung zu Rauchentwöhnungsmethoden, die wirklich helfen, der viel beachtenden „RauS-Studie“: „E-Zigaretten sind mittlerweile ein entscheidender Faktor, mit dem Rauchen aufzuhören. Unter allen Befragten gaben 81 % an, den Rauchausstieg mit Hilfe von E-Zigaretten angegangen zu sein.“
Video: Die RauS-Studie – Vielfalt der individuellen Strategien aus der Tabakabhängigkeit
Präsentation: noch nicht verfügbar
Am Schluss sprach Prof. Dr. Heino Stöver über die unterschiedlichen Rauchprävalenzen in den diversen sozialen gesellschaftlichen Gruppen und was die Konsequenzen für die individuelle Ansprache von Raucherinnen und Rauchern bereits sind oder sein sollten. Anschließend fasste er die Vorträge des Tages in einem Gesamtfazit zusammen.
Video: Rauchende Möbelpackerinnen, nicht-rauchende Amtsrichter – Ungleichheit in der Rauchprävalenz
Video: Zusammenfassung / Fazit
Prof. Dr. Heino Stöver bezeichnete das mit führenden Experten besetzte Online-Symposium als vollen Erfolg und kündigte für Ende 2022 eine Buchveröffentlichung zum aktuellen wissenschaftlichen Stand zu E-Zigaretten und Schadensminimierung an.
Wir freuen uns darauf!
Foto: Frankfurt UAS/Benedikt Bieber
bvra
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Ein Gedanke zu „BVRA spricht auf wissenschaftlicher Tagung des ISFF“
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