Disposables und die Jugendlichen

In einem Artikel der „Welt“ vom 11.11.2023 wird die E-Zigarette wieder einmal fälschlich als Einstiegsdroge in den Tabakkonsum klassifiziert. Als Experte wurde Prof. Dr. Reiner Hanewinkel vom IFT-Nord (Institut für Therapie und Gesundheitsforschung, Kiel) befragt. Er ist zudem Mitglied im ABNR (Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V.), das sich seit Jahren auch vehement gegen E-Zigaretten positioniert – immer wieder auch mit fragwürdigen Argumentationen. Der Grundtenor seiner Aussagen war also vorhersehbar, wahr wird er dadurch jedoch nicht.

In diesem Artikel geht es hauptsächlich um die Einweg Produkte (Disposables) der E-Zigarette und deren Nutzung bei Jugendlichen und Kindern. Grundsätzlich sei dazu nochmal in Erinnerung gerufen, dass der Erwerb und Gebrauch von E-Zigaretten für Kinder und Jugendliche genauso verboten ist wie Tabak oder Alkohol. Dennoch wird alles genannte auch durch diese konsumiert. Es hakt dabei vor allem am Jugendschutz beim Verkauf in der Breite, die Kontrolldichte ist dünn, die Strafen/Bußgelder im Grunde lächerlich. Hinzu kommt, dass einige Behörden mit dem Thema so überfordert sind, dass es vollständig durchs Raster fällt, selbst wenn einmal Kontrollen stattfinden.

Nutzerzahlen

Dr. Hanewinkel wird eingangs zitiert mit: „Diese E-Zigaretten mit Fruchtgeschmack machen immer mehr junge Menschen nikotinsüchtig.“ As Beleg führt er den Probierkonsum in dieser Altersgruppe an. Demnach hätten 13% der 12-17 Jährigen bereits einmal eine E-Zigarette konsumiert. Das erscheint erst einmal viel, aber entscheidender für die Frage der Nutzung ist die Zahl der regelmäßigen Konsumenten. Und die liegt nach DEBRA aber nur bei 2,5%. Dagegen rauchen 15,9% in dieser Altersgruppe Tabakzigaretten.

Bis vor Corona waren beide Zahlen stark rückläufig. Das änderte sich aber schlagartig mit dem Markterfolg der Einweg Vapes. Wir hatten als Konsumentenverband bereits im Dezember 2021 vor dieser Entwicklung und den Problemen, die die Disposables verursachen, gewarnt. Die maßgeblichen Gründe für die zunehmende Nutzung dieser Geräte bei Jugendlichen sind:

  • Der Convenience-Faktor   Disposables sind einfach in Nutzung und Handhabung. Niemand muss sich um technische Details kümmern oder benötigt Beratung. Einkaufen, gebrauchen, wegwerfen. Einfacher geht es nicht mehr.
  • Der Versteck-Faktor   Klassische E-Zigaretten benötigen neben Ladekabel auch Nachfüllflüssigkeiten, neue Verdampferköpfe oder anderes Zubehör. Das muss als Vorrat gekauft und deponiert werden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung durch Eltern oder Erziehungsberechtigte. Dieses Risiko entfällt beim Gebrauch von Einweg-Geräten.
  • Der Preis   Einstiegsmodelle sind für unter 10 EURO erhältlich. Das ist mit dem Budget des Taschengeldes finanzierbar – zumindest gelegentlich. Wer regelmäßig konsumiert, fährt mit wiederaufladbaren und wiederbefüllbaren Systemen deutlich günstiger. Die Grundanschaffung ist zwar höher, aber danach sinken die Unterhaltungskosten deutlich.
  • Freier Verkauf   Disposables werden fast überall verkauft. Am Kiosk, im Supermarkt, im Shisha-Laden, auf Internet Plattformen, usw. Mit dem Jugendschutz wird es da leider oft nicht so genau genommen. Im Fachhandel sind entsprechende Verstöße deutlich seltener.
  • Verbotene Werbung   Auf online Medien darf ausnahmslos nicht für E-Zigaretten geworben werden. Dennoch finden sich besonders auf jugendaffinen Plattformen wie TikTok oder Instagram zahllose Beiträge über die sogar unverhohlen Ware bestellt werden kann. Hier sind die Aufsichtsbehörden gefragt, um solche Plattform Betreiber anzuhalten, die Gesetze zu beachten. Bei Zuwiderhandlungen müssen diese in die Haftung genommen werden.

Unsinnige Forderung nach Aromenverbot

Dr. Hanewinkel macht für die Zunahme der Dampfer bei den Jugendlichen jedoch allein die Aromen verantwortlich. Er fordert, wie viele andere bereits vor ihm, deshalb ein Aromenverbot für E-Zigaretten. Diese Forderung ist nicht neu und wird derzeit weltweit debattiert. Man versucht also mit einem Verbot eine bestimmte Produktgattung vom Markt zu drängen und glaubt, damit hätten sich alle Probleme erledigt. Was alle, die das fordern, dabei verdrängen – bewusst oder unbeabsichtigt – ist der Kollateralschaden an den erwachsenen Konsumentinnen und Konsumenten, die es mit der E-Zigarette geschafft haben mit dem Tabakrauchen aufzuhören!

Die meisten dieser ehemaligen Raucherinnen und Raucher haben es gerade eben wegen der Aromenvielfalt geschafft. Wir sprechen hier von 2-3 Mio. Menschen in Deutschland. Und das sind bei Weitem nicht alles nur Kinder und Jugendliche. Es ist wie beim Jenga Spiel. Entfernt man das untere seitliche Klötzchen, wird über kurz oder lang der gesamte Turm einstürzen. Ob diese Folge bewusst in Kauf genommen wird, darüber lässt sich trefflich streiten.

Verdrehte Wahrnehmung beim Dual-Use

Als Dual-Use bezeichnet man den gleichzeitigen Gebrauch von Tabak- und E-Zigaretten. Allerdings sagt das erstmal nichts über die Relationen aus. Durch das ABNR und ähnliche Lobbygruppen wird der Dual-Use oft sehr einseitig betrachtet. Man geht zu häufig davon aus, dass der Raucher zu seinem „normalen“ Tabakkonsum zusätzlich noch E-Zigaretten konsumiert. Dieses Verhalten ist aber nur extrem selten in der Realität anzutreffen. Praxisnäher ist die Nutzung der E-Zigarette als Kompensation bei Gelegenheiten, wo das Rauchen nicht möglich oder unerwünscht ist. Selbst in dieser Nutzergruppe gibt es große Schwankungen. Aber die E-Zigarette wird hier eben so oder so als Substitut für den Tabakkonsum benutzt. Die deutliche Mehrheit der E-Zigarettennutzer raucht  mittel- bis langfristig keinen Tabak mehr. Aus gesundheitlicher Perspektive gilt für den Dual-Use: Jede nicht gerauchte Tabakzigarette ist ein Gewinn!

Problem: Influencer Marketing

In diesem Punkt stimmen wir den Bedenken eindeutig zu. Als Beispiele werden die Streamer Montana Black und Knossi genannt, die ihre eigenen Disposable Marken gern in die Kamera halten und ihren Lifestyle dem geneigten Publikum vorleben. Die Liste ließe sich mit Stars aus der Musikbranche noch erweitern. Alle diese „Vorbilder“ bewegen sich aber rechtlich auf sehr dünnem Eis. Es existiert ein rigoroses online Werbeverbot auf sozialen Medien für Tabak und auch E-Zigaretten jeder Form. Hier muss bestehendes Recht auch mal durchgesetzt werden.  Ein Aromaverbot als vermeintliches Allheilmittel ändert an den entsprechenden Rechtsbrüchen nämlich selbstverständlich überhaupt nichts. Wie sollte es auch? Die entsprechende Werbung ist ja bereits jetzt illegal.

Geschlossene vs. Offene Systeme

Nahezu alle Probleme, die sich bisher mit der E-Zigarette ergaben oder negative Schlagzeilen generiert haben, resultierten aus den geschlossenen Systemen. Damit sind Verdampfer gemeint, deren Liquiddepot sich nicht wiederbefüllen lässt. Das trifft auf die Disposables und viele Podsysteme zu. Disposables werden nach einmaliger Nutzung komplett inkl. Akku und Steuerelektronik entsorgt, bei Podsystemen tauscht der Kunde eine vorbefüllte Flüssigkeitskartusche aus. Diese Systeme sind im niedrigen Preissegment und weit über den Fachhandel hinaus überall im freien Verkauf zu finden. Eine Einweisung in die Technik ist i.d.R. nicht erforderlich.

Dass erste geschlossene System, das den Massenmarkt in den USA erobert hat, war die Juul. Diese war zeitweise so beliebt und der Probierkonsum (nicht Dauerkonsum) so hoch, dass die  US-Medien das Schreckgespenst einer „Juul-Epidemie“ an den Schulen verbreiteten. Als dann eine Reihe Drogentote und viele schwer Erkrankte durch EVALI in den USA auftauchten stellten Behörden und Presse in den USA anfangs fälschlicherweise E-Zigarettenprodukte unter Verdacht. Auch wenn sich dies schlussendlich nicht bestätigte, heizte es die Juul Panik in den Staaten weiter an, bis das Produkt schlussendlich durch öffentlichen Druck und scharfe Regulierungen schließlich vom Markt verschwand – zusammen mit tausenden weiteren. Ein weiteres Ergebnis dieser unbegründet scharfen Regulierungen war dann der Markterfolg der Disposables, mit denen man die für die Juul und verwandte Produkte gedachten Regulierungen umgehen konnte. Aufgrund der hohen Nachfrage in den USA erhöhten internationale Hersteller die Produktionskapazitäten so massiv, dass diese Produkte schlussendlich auch die Märkte im Rest der Welt überschwemmten.

Derart massive Probleme gab es bei offenen Systemen zu keinem Zeitpunkt. Bei diesen sind Akkus auswechselbar, Komponenten verschiedener Hersteller sind dank einheitlicher Anschlüsse beliebig austauschbar, befüllt werden sie von Nutzerinnen und Nutzern selbst. In den letzten Jahren haben Lobbygruppen wie der ABNR immer wieder offene Systeme mit dem Argument angegriffen, dass  Nutzerinnen und Nutzer beliebige und damit auch gefährliche Stoffe zusetzen könnten, was unabsehbare Risiken mit sich brächte. Fakt ist aber, Probleme gab es ausnahmslos bei vorbefüllten geschlossenen Systemen.

Offene Systeme haben zu keinem Zeitpunkt irgendwo auf der Welt für derartige Marktverwerfungen gesorgt oder ad-hoc Regulierungen notwendig gemacht!

Alternativen zur Verbotskultur

Wie also kann man ein missliebiges Produkt wie Disposables regulieren, ohne den restlichen Mart zu zerstören? Ein Aromenverbot ist die Dampfwalze, die gleich alles platt macht. In unserem Gespräch mit dem Büro des Bundesdrogenbeauftragten wurde deutlich, dass man den Markt im Grunde ja gar nicht zerstören will. Unbenommen der teilweise schwierigen öffentlichen Kommunikation sind sich die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchaus der gesundheitlichen Vorteile bewusst, die ein Umstieg vom Tabakrauchen auf die E-Zigarette mit sich bringt. Auch der Ruf nach einem Verbot der vermeintlich ach so gefährlichen offenen Systeme geht völlig an der Realität vorbei. Das Aromenverbot scheint bei vielen das geeignete politische Mittel, um die Disposables wegzuregulieren. Aber es gibt andere Stellschrauben, an denen man ansetzen könnte, ohne die Gesundheit erwachsener Ex-Raucherinnen und -Raucher zu gefährden.

  • Überarbeitung der Steuersystematik Siehe dazu auch unser Thesenpapier Tabaksteuer Einwegprodukte
  • Stärkung des Fachhandels   Die freie Verfügbarkeit an vielen Stellen und der Verkauf durch teils unqualifizierte Beschäftigte stellt ein Problem hinsichtlich der effizienten Einhaltung des Jugendschutzes dar. Der ist im Fachhandel zwar auch nicht garantiert, aber sehr viel leichter kontrollierbar und damit sehr viel wahrscheinlicher. Zudem werden die vorher geschätzten Steuereinnahmen aus der Liquidsteuer aktuell krachend verfehlt, weil offensichtlich viel weniger (legal) verkauft wird, als angenommen. Mit der Senkung der Steuer auf Basisprodukte lassen sich aber grade im Fachhandel wieder mehr Einnahmen erzielen, Marktanteile aus dem Graumarkt werden wieder Teil regulärer (und besteuerter) Märkte.
  • Konsequente Verfolgung von Werbeverstößen   Es ist für die Behörden nicht möglich, jedes einzelne Posting oder Video auf unzähligen Plattformen zu kontrollieren. Aber es ist möglich, die Plattform Betreiber dafür in die Haftung zu nehmen. Werbung im Internet für E-Zigaretten ist vollständig untersagt und könnte auch verfolgt werden. Warum passiert das nicht?

Wir haben diese und andere Vorschläge bereits im Sommer an einige diverse Politiker weitergeleitet und jüngst auch an das Büro des Bundesdrogenbeauftragten. Alle zeigten sich dabei sehr aufgeschlossen und hatten an die Stellschraube einer Änderung der Besteuerung wohl noch gar nicht gedacht. Wenn das Cannabisgesetz einmal verabschiedet werden sollte, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass man die Tabaksteuer dafür noch einmal gesetzgeberisch öffnen muss, um Cannabis zu integrieren. Dann wäre die Gelegenheit günstig, auch an anderer Stelle noch nachzubessern. Wir stehen jedenfalls gerne für weitere Gespräche zur Verfügung.

 

Beitragsbild von Eduardo Lempo by pexels.com

Disposables und die Jugendlichen
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