Beteiligungsscoping Landesnichtraucherschutzgesetz in BW

Themenlandkarte LNRSchG nach Beteiligungsscoping

Am 22. Juli fand in Stuttgart das Beteiligungsscoping zur Novellierung des Landesnichtraucherschutzgesetz (LNRSchG) in Baden-Württemberg für betroffene Verbände, zivilgesellschaftliche Organisationen und Behörden statt. Als Konsumentenverband für risikominimierte Alternativprodukte zur Verbrennungszigarette, wurden wir von der Servicestelle Bürgerbeteiligung zur Teilnahme in das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aufgrund unserer bisherigen Veröffentlichungen eingeladen.

Der Prozess der dialogischen Bürgerbeteiligung im Gesetzgebungsverfahren ist noch relativ neu. Durch ihn soll die politische Debatte um ein Meinungsbild aus der Bevölkerung ergänzt werden. Hierfür arbeiten sich in Bürgerforen ca. 50 Zufallsbürger stellvertretend, und unabhängig von lauten Stimmen aus Verbänden, sozialen Medien und Interessengruppen, tiefergehend in die Thematik ein und übergeben ihre Stellungnahmen in den Gesetzgebungsprozess. Die Grundlage für die Diskussionen in den Bürgerforen bildet eine Themenlandkarte. Diese soll eine Sammlung aller betroffenen Themenaspekte, unter Berücksichtigung aller Bedürfnisse, darstellen und auch kontroverse Fragen, sowie Ziel- und Mittelkonflikte aufdecken. Auf den Seiten des Beteiligungsportals Baden-Württemberg finden sich detaillierte Informationen zum gesamten Prozess.

Das Beteiligungsscoping

Die Arbeit innerhalb des Beteiligungsscopings (Scoping, deutsch Sondierung) bestand für die geladenen Stakeholder darin, eine zuvor erstellte Themenlandkarte durch eigene Punkte und Fragen zu erweitern. Um alle betroffenen Interessen abbilden zu können, wurde eine sehr breite Auswahl an Interessengruppen eingeladen, welche das Thema des Nichtraucherschutzes aus ihren jeweiligen Blickwinkeln beleuchteten und dabei auch um Aspekte abseits des klassischen Gesundheitsschutzes erweiterten. Beispielhaft machte der Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) auf die Problematik aufmerksam, dass ein Gastwirt bei Missachtung durch Gäste eine Strafe bezahlen müsse, ein Lehrer oder Bürgermeister hingegen nicht, und die Vertreter der Kommunen auf die mangelhafte finanzielle Ausstattung bei durchzuführenden Kontrollen.

Von mehreren Seiten wurde eine stärkere Prävention eingefordert, wobei auch die Frage diskutiert wurde, ob der Zweck eines LNRSchG der Nichtraucherschutz oder eine möglichst hohe Unattraktivität des Rauchens sein solle. Während sich der Vertreter des ProRauchfrei e.V. für eine möglichst lange und allumfassende Verbotsliste stark machte, brachte der Vertreter der Baden-Württembergischen Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfe- und Abstinenzverbände (BWAG) pragmatischere Überlegungen mit ein und legte dar, dass weitergehende Rauchverbote z.B. drogenabhängige Menschen vom Besuch einer (Entzugs)Klinik abhalten würden. Neben weiteren Verbänden (wie z.B. Landessportverband, Dachverband der Jugendgemeinderäte, BfTG, BVTE, etc.) waren auch Vertreterinnen der Landtagsfraktionen der Grünen, der SPD und der FDP anwesend.

Rauchfreie Produkte im Nichtraucherschutz?

Durch die zuständige Ministerialrätin wurden in der Sitzung die politischen Gründe für eine Novellierung des LNRSchG genannt: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen, wo geraucht wird, besser geschützt werden und die wissenschaftliche und technische Entwicklung rund um das Rauchen sei vorangeschritten, was eine Anpassung nötig mache. Zum ersten Punkt lässt sich sagen, dass es in BW zahlreiche Ausnahmeregelungen z.B. in der Gastronomie gibt. Mit dem zweiten Punkt ist wohl der politische Wille gemeint, rauchfreie Produkte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer, im LNRSchG zu erfassen.

Innerhalb des Beteiligungsscopings haben wir als BVRA dafür plädiert, dass rauchfreie Produkte massiv weniger schädlich als Zigaretten sind und deswegen innerhalb des Nichtraucherschutzes differenziert betrachtet werden müssen. Darüber hinaus haben wir dargestellt, dass Nutzerinnen und Nutzer von verbrennungsfreien Produkten Nichtraucher sind und ebenfalls vor den gesundheitlichen Schädigungen des Passivrauchens geschützt werden müssen, was einer örtlichen Konzentration entgegensteht. Beide von uns eingebrachten Punkte wurden in die Aktualisierung der Themenlandkarte übernommen und werden damit den kommenden Bürgerforen zur Information und Diskussion gestellt.

Im Themenfeld „Neuartiger Tabak-Konsum“ sind unsere Punkte nun wie folgt abgebildet:

  • Differenzierte Betrachtung E-Konsum vs. Verbrennung
  • Schutz der Dampfer vor Rauchen

Die Vertreterin des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) bestätigte die Aussage der geringeren Schädlichkeit, schränkte dabei aber ein, dass es sich hierbei um den aktuellen Stand der Wissenschaft handele und man nicht wissen könne, was noch komme. Auf eine Nachfrage des Landessportverbands hin stellte sie außerdem dar, dass die Nutzung von E-Zigaretten nicht zu einer Erhöhung der Rauchprävalenz führe.

Wie geht es weiter?

Das Beteiligungsportal BW hat mittlerweile auf seiner Homepage die aktualisierte Themenlandkarte veröffentlicht. Interessierte können diese bis zum 16. August kommentieren (z.B. hier die Differenzierung von neuartigen Produkten zu Verbrennungszigaretten). Im Herbst soll ein Referentenentwurf zum LNRSchG vorliegen und zeitgleich sollen auch die Zufallsbürger mit der Arbeit in den Bürgerforen beginnen. In diese können wiederum Experten zu bestimmten Themenaspekten geladen werden. Auch hier kann es gut sein, dass Teilnehmer aus diesem Beteiligungsscoping als Sachkundige geladen werden, um aufkommende Fragen der Bürger zu beantworten. Wir stehen dafür natürlich gerne zur Verfügung.

Wir bedanken uns bei der Servicestelle Bürgerbeteiligung und dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration für die Einladung zum Beteiligungsscoping.

 

Unsere bisherigen Beiträge zum Nichtraucherschutz

Juli 2023: Stellungnahme beim Bundesgesundheitsministerium zur Gleichstellung von Rauch und rauchfreien Produkten im BNichtrSchG im Zuge des KCanG.

August 2023: Zusammenfassung diverser Stellungnahmen zum obigen Thema.

November 2021: Einordnung des hessischen Nichtraucherschutzgesetz.

Beitragsbild: Servicestelle Baden-Württemberg

Beteiligungsscoping Landesnichtraucherschutzgesetz in BW
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Bundesverband Rauchfreie Alternative e. V.
Der BVRA e. V. ist ein unabhängiger Konsumentenverband. Wir setzen uns ein für die Tobacco Harm Reduction und eine Beurteilung aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

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