Pressemitteilung vom 26.06.2023
In den letzten Wochen verteilten Ordnungsbehörden in Nordrhein-Westfalen bei Kontrollen in Geschäften für E-Zigaretten und deren Nachfüllflüssigkeiten ein Merkblatt des Landesministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Neben vielen guten und richtigen Hinweisen zur Rechtslage fordert das Merkblatt an einer markanten Stelle den Handel jedoch in Form einer absurden Rechtsmeinung unterm Strich zum offenen Rechtsbruch zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher auf.
Das Merkblatt, welches uns im Volltext vorliegt, behauptet unter Ignoranz der tatsächlichen Rechtslage unter Punkt 6, es gäbe eine gesetzliche Vorgabe, welche verbietet den angebotenen Geschmack anzugeben, nur die chemischen Inhaltsstoffe wären zulässig.
Nachfüllflüssigkeiten für E-Zigaretten werden mit Lebensmittelaromen aromatisiert, diese bestehen üblicherweise aus mehreren Dutzenden chemischen Einzelkomponenten. Spezifische Geschmacksrichtungen wie Erdbeere oder Tabak können dabei je Produkt aus sehr unterschiedlichen Komponenten bestehen, den einen Weg zu einem Aroma gibt es schlicht nicht. Für Verbraucherinnen und Verbraucher sind rein chemischen Angaben aus Sicht des Verbraucherschutzes entsprechend kontraproduktiv. Sie sind allenfalls eine Ergänzung als Hilfe für eine informierten Kaufentscheidung.
Überträgt man diese Auffassung auf beispielsweise Flüssigkeitsbehälter im Supermarkt könnten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr erkennen, ob sie grade Limonade, Wodka, Orangensaft, oder Weichspüler in der Hand haben. Der Vergleich zeigt: natürlich müssen Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was sie erwerben. Ohne Angaben zum Geschmack ist dies jedoch gänzlich unmöglich. Dies gilt insbesondere deswegen, weil bei Konsumprodukten wie Nachfüllflüssigkeiten der Geschmack das zentrale Unterscheidungskriterium für die Kaufentscheidung darstellt.
Diesen praktischen Erfordernissen ist der Gesetzgeber selbstverständlich auch in der Regulierung gerecht geworden. Im einschlägigen §18 Tabakerzeugnisgesetz existieren entsprechende Verbote richtigerweise für Tabakprodukte wie Zigaretten oder Drehtabak, Nachfüllflüssigkeiten für E-Zigaretten sind dabei jedoch explizit und völlig unmissverständlich in Abs. 4 ausgenommen.
In Anbetracht der absolut eindeutigen und unstrittigen Rechtslage und der auch bereits bei oberflächlicher Betrachtung offensichtlichen Absurdität, gehen wir nicht von einem Versehen aus. Hier versuchen offenbar einzelne Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen einer Landesbehörde geltendes Bundes- und EU-Recht zu unterlaufen und rechtswidrig irgendeine Form von abstruser Agenda zu verwirklichen. Das eigentlich für den Verbraucherschutz zuständige Landesministerium wirkt damit aktiv in höchst schädlicher Weise auf den Verbraucherschutz negativ ein.
Der gesamte Sachverhalt erinnert an Vorkommnisse in NRW im Jahr 2012 um die damalige Landesministerin Steffens. Dabei kam es auf Basis einer herbeifantasierten Selbstermächtigung zu massivsten Rechtsbrüchen zum Nachteil von Handel und Verbraucherinnen und Verbrauchern im Bereich der E-Zigarette, denen das OVG Münster schlussendlich einen Riegel vorschieben musste.
Auch für den aktuellen Fall schließen wir als Vertretung der Verbraucherinnen und Verbraucher den Rechtsweg explizit nicht aus.
Wir fordern die zuständige Ministerin Silke Gorißen auf, dass sie nachhaltig Sorge dafür trägt, dass
- das entsprechende Merkblatt korrigiert wird, sodass es wieder die tatsächliche Rechtslage abbildet.
- ausnahmslos jeder Marktteilnehmer, der das falsche Merkblatt erhalten hat, behördlich proaktiv über die Korrektur informiert wird.
- Transparenz darüber hergestellt wird, welche Stelle diesen eindeutig vorsätzlichen Versuch, geltendes Recht zu unterlaufen, zu verantworten hat.
- Maßnahmen getroffen werden, um zukünftig derartige Vorfälle zu vermeiden und diese auch publik zu machen.
- dafür verantwortliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der gebotenen Härte disziplinarrechtlich belangt werden.
Beitragsbild: 2 Bilder unter Pixabay Lizenz
Unser Anschreiben an die zuständige Ministerin im Volltext
Bundesverband Rauchfreie Alternative e.V.
Schönhauser Allee 163
10435 Berlin
40219 Düsseldorf
Bezug: Merkblatt Auszüge rechtlicher Vorgaben für E-Zigaretten und Nachfüllflüssigkeiten
Sehr geehrte Frau Ministerin Gorißen,
ich wende mich an Sie als Geschäftsführer der Konsumentenvertretung BVRA e.V. im Namen der Konsumentinnen und Konsumenten von risikoreduzierten Nikotinprodukten.
Angehangen finden Sie unsere aktuelle Pressemitteilung zu einem Thema, in dessen Zentrum Ihr Ministerium steht. Einige Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten da grade erheblichen Schaden an und wir hegen als dem Verbraucherschutz verpflichteter Verband die Hoffnung, dass Sie in der Sache intervenieren werden.
Ihr Ministerium händigt aktuell über die Ordnungsbehörden im Fachhandel für Verwandte Erzeugnisse ein Merkblatt aus, in dem unter Punkt 6 eine nicht haltbare Rechtsmeinung zur Kennzeichnung von Nachfüllflüssigkeiten postuliert wird. Laut dem Merkblatt seien rein chemische Stoffangaben zulässig, Angaben zum Geschmack jedoch nicht. Dies entspricht entgegen dem Merkblatt jedoch nicht der eigentlich in dieser Frage mehr als eindeutigen Rechtslage.
Wir hegen die Hoffnung, dass für Sie als Vertreterin der Union und als Juristin klare Marktregeln eine Selbstverständlichkeit sind und Sie entsprechend in Ihrem Ministerium die Rechtsstaatlichkeit des Handelns gewährleisten. Störfeuer, die den Verbraucherschutz nachhaltig beschädigen können aus unserer Sicht unmöglich in Ihrem Interesse liegen.
Das Tabakerzeugnisgesetz als Umsetzung der RL2014/40/EU macht entsprechende Vorgaben zu Angaben über Geschmack für Tabakprodukte, in Absatz 4 des Paragraphen werden Nachfüllbehälter für Verwandte Erzeugnisse jedoch unmissverständlich ausgenommen. In den Erwägungsgründen des TabakerzG findet sich zu dieser Frage ein Verweis auf Artikel 20 Absatz 4 Buchstabe b ii der EU Richtlinie. Dort ist die Ausnahme noch einmal klarer formuliert mit Verweis auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstaben a und c, welche für Verwandte Erzeugnisse explizit nicht gelten sollen. Unter a findet sich unter anderem das Verbot der Angabe von Nikotin und Teer. Beides ist für Verwandte Erzeugnisse nicht sinnvoll, der Nikotingehalt muss ganz im Gegenteil explizit angegeben werden, wie auch an anderer Stelle der Richtlinie vorgesehen ist, Angaben zum Teer erübrigen sich qua Abwesenheit ehedem. Unter c finden sich Angaben zu Geruch und Geschmack. Beide, a und c, gelten eindeutig nicht für Verwandte Erzeugnisse inkl. Nachfüllbehälter.
Aufgrund der klaren Rechtslage sind wir mehr als befremdet von den Vorgängen rund um das Merkblatt Ihres Ministeriums. Wir gehen tatsächlich nicht von einem Versehen aus. Wir bitten Sie deswegen dafür Sorge zu tragen, dass
– das entsprechende Merkblatt korrigiert wird, sodass es wieder die tatsächliche Rechtslage abbildet.
– ausnahmslos jeder Marktteilnehmer, der das falsche Merkblatt erhalten hat, behördlich proaktiv über die Korrektur informiert wird.
– Transparenz darüber hergestellt wird, welche Stelle diesen eindeutig vorsätzlichen Versuch, geltendes Recht zu unterlaufen, zu verantworten hat.
– Maßnahmen getroffen werden, um zukünftig derartige Vorfälle zu vermeiden und diese auch publik zu machen.
– dafür verantwortliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der gebotenen Härte disziplinarrechtlich belangt werden.
Dieses Schreiben wird auch als offener Brief veröffentlicht.
Unsere Pressemitteilung zur Sache sowie das in Frage stehende Merkblatt sind dieser E-Mail als Anhang beigefügt.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Simon Bauer
bvra
Neueste Artikel von bvra (alle ansehen)
- Meeting mit dem Büro des Bundesdrogenbeauftragten - 20. November 2024
- MHD bei Liquids? - 29. September 2024
- Besuch der InterTabac 2024 - 23. September 2024
5 Gedanken zu „Ministerium drängt Handel zu Verbrauchertäuschung“
Kommentare sind geschlossen.