Disposables – Mit Volldampf ins Fiasko (Hintergrund)

Wegwerf Ezigarette und Kippenstummel

Von was sprechen wir hier genau?

Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten von E-Zigaretten, zum Verständnis sind diese im Folgenden aufgeführt und erläutert.

Offene (Tank-)Systeme: Der Tank ist frei befüllbar, Einzelkomponenten wie z.B. Verdampferspulen (sog. Coils) sind auswechselbar, Akkus sind i.d.R. entnehmbar und extern ladbar, bei fest im Gerät verbauten Akkus ist Ladeelektronik enthalten. Tank und Stromzufuhr (sog. Akkuträger) sind üblicherweise trennbar/austauschbar. Die Tanks und Trägersysteme verschiedener Hersteller sind untereinander kompatibel und jahrelang nutzbar.

Offene Podsysteme: Tank und interne Verdampfereinheit sind ein geschlossenes System, welches nur auf Trägersysteme des gleichen Herstellers passen, welche dann Strom liefern. Der einzelne Pod ist wiederbefüllbar, die auf lange Haltbarkeit angelegten Trägersysteme nachladbar.

Prefilled (geschlossene) Podsysteme: Die Pods werden mit Liquid vorbefüllt verkauft und sind, wenn ihr Inhalt verbraucht wurde, nicht nachfüllbar. Die aufgebrauchten Pods wandern in den Müll. Das Trägersystem des Pod-Herstellers ist wie beim offenen Podsystem nachladbar und auf längere Haltbarkeit ausgelegt.

Disposables (Wegwerf- bzw. Einweg-Ezigaretten): Eine E-Zigarette, die mit verdampfbarer Flüssigkeit (Liquid) vorbefüllt und mit einer Batterie versehen ist. Man kann weder das Liquid nachfüllen noch die Batterie ersetzen. Ist die Flüssigkeit aufgebraucht oder die Batterie erschöpft, wird das komplette Gerät weggeworfen.

 

Marktentwicklung / Geschichte

Die Geschichte der Einweg-Produkte kann man bis 2004 zurückverfolgen. Es ging also direkt zum Beginn des Dampfens schon damit los(1). Zu einer Zeit als die entsprechenden Verdampfertechnologien noch in den Kinderschuhen steckten, hatten diese Modelle ihre erste Blütezeit. Anfangs gab es naturgemäß kaum Konsumenten, erst recht keine Fachgeschäfte und man hatte auch im privaten Umfeld als Konsument keine Ansprechpartner bei Problemen. Viele dieser Systeme versuchten optisch Zigaretten nachzubilden, bis hin zu einer orange glühenden LED an der Spitze, wenn der Nutzer daran zog.

Bis ca. 2011 verschwanden sie mehr und mehr vom Markt und wurden von moderneren Systemen verdrängt. Nachfüllbare Tanksysteme und wiederaufladbare Akkus sprachen preis- und umweltbewusste Nutzer stärker an, Geschmack, Ergiebigkeit und Haltbarkeit waren zudem klar besser. Die Marktanteile dieser Einweg-Wegwerfgeräte waren bis 2019 recht vernachlässigbar. Der vermutlich relevanteste Vertrieb war in dieser Zeit njoy in den USA und diese sind 2016 Konkurs gegangen(2).

Ab ca. 2017 gab es ausgehend von den USA einen Boom von extrem einfachen, vorbefüllten Podsystemen, wie Juul, Vuse und Blu die den bis dahin von offenen Systemen beherrschten US-Markt quasi komplett aufgerollt haben. Klein und handlich, preiswerter als Verbrennungszigaretten und im Supermarkt erhältlich waren sie ein Erfolgsmodell, das den US-Dampfermarkt mehrheitlich übernommen hat. Der vorher dort dominante Hobby- und Fachhandelsmarkt, in dem eher offene Systeme besonders umsatzstark waren, wurde dabei hart getroffen.

Dabei muss man aus deutscher Sicht allerdings einige Besonderheiten des amerikanischen Marktes beachten:

  1. Die Zigarettenpreise in den relevanten Märkten (Ost- und Westküste) liegen merklich über denen in Deutschland. Und diese stellen das maximale Preisniveau für den E-Zigarettenmarkt dar
  2. Es gab und gibt in den USA primär einen Markt für fertige Liquids mit Nikotin im Fachhandel. Das Preisniveau dafür war und ist merklich höher als in Deutschland. Das macht prefilled Podsysteme für die Kunden merklich interessanter, als das in der EU der Fall ist.
  3. Der US-Fachhandel und auch die dortigen Anbieter waren sehr stark auf den reinen Enthusiastenmarkt ausgerichtet mit Fokus auf Dauernutzer und Leistungsstärke und haben den umsteigenden Raucher dabei zunehmend vergessen. Das sah man massiv im Produktsortiment, das angeboten und auch in den USA hergestellt wurde.
  4. Dort sind sehr hohe Nikotinstärken von bis zu 60mg/ml erlaubt und werden auch genutzt.

Parallel dazu entwickelten Tabakkonzerne in diesem Zeitraum eigene Prefilled Podysteme bzw. kauften vorhandene Hersteller und Systeme (z.B. BLU, Juul) auf, legten sich für „ihre E-Zigaretten“ auf diese Variante fest und vertreiben diese bis heute über Tabakhandel, Kioske, Tankstellen und Supermärkte. Eine so große Marktrelevanz wie in den USA haben die entsprechenden Geräte in Europa oder auch nur Deutschland aber nie erreicht.

 

Vorteile von Disposables

Der Konsum soll für die Nutzerinnen und Nutzer genauso einfach sein, wie der Konsum von klassischen Verbrennungszigaretten. Einfach nur kaufen, Schachtel aufmachen und los gehts. Kein Hantieren mit Akkus oder Flüssigkeiten und auch nichts was man irgendwie bedienen muss. Auspacken und dran ziehen, das ist alles – so einfach wie bei Zigaretten. Dies soll vor allem für Noch-Raucherinnen und -raucher attraktiv sein, um die Umstiegshürde so gering wie möglich zu halten.

Nachteile von Disposables

Ein gewichtiger Nachteil der Einwegsysteme war und ist natürlich in erster Linie der vergleichsweise hohe Preis! Die Kosten eines Wegwerfgerätes liegen zwar oft unter den Kosten einer Schachtel Zigaretten, aber immer noch sehr deutlich über dem jeder anderen E-Zigaretten Variante.

Disposables sprechen vor allem Gelegenheitsnutzer an und wie man in den USA bereits an den Zahlen sehen kann gerne auch in der Gruppe Jugendlicher bzw. junger Erwachsener (Partypublikum am Wochenende). In Anbetracht der Tatsache, dass in entsprechenden Statistiken aus strategischen Gründen eine Nutzung innerhalb der letzten 30 Tage (30 Tage Prävalenz) in der statistischen Erfassung einer täglichen Nutzung gleichgestellt wird, entsteht bereits jetzt der Eindruck einer explosionsartigen Zunahme von E-Zigarettennutzung unter Jugendlichen. Das mag statistisch nicht ganz sauber sein, ändert aber nichts an den daraus folgenden politischen Konsequenzen, nämlich einer erneut intensiv geführten Jugendschutzdebatte in den USA, nebst entsprechend weitreichenden Regulierungs- und Verbotsforderungen. Das ist auch hier in Europa so zu erwarten.

Viel wichtiger ist aber der Umweltaspekt! So gilt es zu beachten, dass diese Wegwerfgeräte nicht in den Hausmüll bzw. den Mülleimer an der Straße gehören. Es handelt sich um Elektronik und vor allem eine Batterie, welche auch als solche entsorgt werden muss. Vorgaben für Pfandsysteme gibt es in diesem Bereich nicht. Selbst wenn es diese gäbe, könnte man aufgrund von Marketing und Preisgestaltung kaum ein sehr hohes Pfand aufschlagen. Ob mit oder ohne Pfand werden viele dieser Geräte entsprechend nicht nur im normalen Müll landen, sondern auch auf der Straße und in Grünanlagen. Dies wird insbesondere in Deutschland die Politik ohne Wenn und Aber zum Handeln zwingen. Es ist zu erwarten, dass die Regulierung dabei, genau wie bei vergleichbaren Vorgängen in der Vergangenheit, weit übers Ziel hinausschießen wird und neben der Müllproblematik auch weitere E-Zigarettenregulierungen miteinschließt.

 

Wieso sehen wir grade jetzt ein Revival der Einwegprodukte?

Disposables, also einfach zu nutzende Einwegprodukte, sind generell ein Convinience Produkt und damit schon grundsätzlich im Trend der Zeit. Nur fertige Produkte, statt diverser Einzelkomponenten vorzuhalten macht die Wegwerfgeräte auch für den Handel noch einmal attraktiver. Vor allem anderen sind sie aber ein Ventil der Hersteller für den überall zunehmenden Regulierungsdruck. Marketing und Verkauf sind z.B. einfacher, wenn man nicht noch extra Funktionen erklären muss. Dazu gibt es in vielen Ländern Versandhandelsbeschränkungen, die es Nutzerinnen und Nutzern offener Systeme aber auch von prefilled Podsystemen bisweilen schwer machen, Verbrauchsmaterialien oder Nachfüllflüssigkeiten/-pods einfach zu ersetzen. Haben diese nämlich keinen Fachhandel in der Nähe, der durch andere regulatorische Maßnahmen und Jahre unscharfer Presseberichterstattung zum Thema ebenfalls zunehmend ausgedünnt wird, bleibt nur der Gang in den Tabakladen oder die Tankstelle. Diese können aufgrund der Gerätevielfalt den entsprechenden Bedarf natürlich nicht decken, weil ihr Sortiment begrenzt ist. Genau dort bieten sich für den Handel dann Disposables an.

Befeuert wurde der Trend insbesondere in den USA aktuell dadurch, dass Disposables dort teilweise durch die Roste der Regulierung rutschen. Inzwischen versuchen sowohl die Food and Drug Administration (FDA), als auch einige Bundesstaaten zu reagieren, aber die entsprechende Marktdynamik war bereits angeschoben und wird noch lange nachwirken. Mehr und mehr Akteure aus dem E-Zigarettenmarkt investieren in eigene Disposable Gerätelinien. Viele vor allem in China beheimatete Gerätehersteller haben inzwischen ihre gesamte Produktion darauf ausgerichtet.

In Europa und vor allem in Deutschland ist auch die Besteuerung von Nachfüllflüssigkeiten (im Tabaksteuergesetz sog. Substitute) ab Mitte nächsten Jahres (3,4) ein Faktor für die Verbreitung. Die grotesk hohen Steuersätze in Deutschland sorgen dafür, dass je größer ein entsprechendes Flüssigkeitsbehältnis ist, die Steueraufschläge umso auffälliger für die Käuferinnen und Käufer werden. Bei Disposables mit ihren geringen Füllmengen von etwa 1 Milliliter liegt die Besteuerung im Bereich weniger Cent, das fällt auf den ersten Blick weniger ins Auge. Nachfüllbehälter freier Systeme werden dagegen um mehrere Euro teurer. Dies sorgt für eine Wahrnehmungsverzerrung bei Konsumentinnen und Konsumenten, derer der Handel sich sehr wohl bewusst ist. Die Politik leistet damit ungewollt der aktuellen Entwicklung Vorschub.

 

Fazit

Für aktuelle E-Zigarettenkonsumentinnen und -konsumenten bieten Disposables keinen Mehrwert. Ob bei den neu hinzugewonnen Gelegenheitsnutzerinnen und -nutzern tatsächlich ein Rauchausstieg bzw. ein nachhaltiger Umstieg auf die E-Zigarette stattfindet ist ein großes Fragezeichen. Was für den schwer gebeutelten Fachhandel wie eine Rettungsleine aussieht kann und wird sich politisch in einen Strick verwandeln. Ein Produkt, dass keine Beratung erfordert, fremdelt in einem Fachhandel, der eben diese Beratung anbietet. Mit zunehmender Zahl von Marktteilnehmern in diesem Segment wird auch der Preisdruck steigen und die Margen sinken. Ob sich ein Fachhandel damit mittel- bis langfristig über Wasser halten kann ist mehr als fraglich. Realistisch betrachtet werden bei entsprechender Verbreitung Partymeilen, Grünanlagen und Parks mit einer großen Menge Sondermüll belastet, weil diese Wegwerfgeräte genauso sorglos weggeworfen werden wie Kippenstummel. Die daraus folgende Umweltschutzdebatte wird nicht spurlos an der Branche vorbei gehen. Dazu wird die zunehmende Verbreitung auch hierzulande für eine neue Jugendschutzdebatte sorgen, die Diskussion um Aromenverbote verschärfen und ganz allgemein den Druck auf die Politik erhöhen, bei E-Zigaretten weitergehend zu regulieren.

Da Regulierungen in diesem Bereich grundsätzlich auch zu Lasten der Konsumentinnen und Konsumenten gehen betrachten wir als BVRA e.V. den Disposable Trend insgesamt kritisch und mit großer Sorge.

 

Links/Quellen

(1) https://www.iloveecigs.com/blog/en/what-is-a-disposable-e-cigarette-and-where-did-it-come-from/

(2) https://www.csbankruptcyblog.com/2016/09/articles/recent-developments/new-delaware-chapter-11-filing-njoy-inc/

(3) https://bvra.info/aktuell/die-liquidsteuer-der-stand-der-dinge/

(4) https://bvra.info/presse/tabaksteuerplaene-werfen-politische-grundsatzfragen-auf/

 

Copyright

Beitragsbild: Wikipedia/Cloudjpk unter Lizenz CC BY-SA 4.0  Änderung: Bildausschnitt

Produktbild im Artikel: Flickr/Lindsay Fox unter Lizenz CC BY 2.0

 

Autoren: Marc Duerr, Simon Bauer

Disposables – Mit Volldampf ins Fiasko (Hintergrund)
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