Offener Brief an Prof. Dr. Hendrik Streeck

Sehr geehrter Prof. Dr. Streeck,

bei ihrem Amtsantritt zum Drogenbeauftragten der Bundesregierung forderten Sie mehr Wissenschaft im politischen Entscheidungsprozess und ein Ende des Lagerdenkens, sowie der damit verbundenen Polarisierung. Diese Position erschien vielen als Hoffnungsschimmer, dass nun endlich evidenzbasierte statt ideologisch geprägte Lösungen getroffen werden könnten. Gerade in der Drogenpolitik und Suchtprävention wäre dies ein spürbarer Fortschritt.

Auch wir als Vertreter der Konsumentinnen und Konsumenten von E-Zigaretten, die selbige nutzen, um endlich von der Sucht nach Tabakzigaretten loszukommen, hegten große Hoffnungen auf eine Stimme der Vernunft. Ihre Forderung für eine strengere Regulierung und schärfere Kontrolle von sogenannten Vapes (gemeint sind hier wohl vor allem Einweg-E-Zigaretten, die primär auf sehr junge Käuferschichten zugeschnitten sind) ist im Ansatz sicherlich sehr vernünftig. Sie werden in dem Artikel zitiert mit dem Statement:

„Wir brauchen eine konsequente Regulierung, eine strikte Durchsetzung des Kinder- und Jugendschutzes und noch mehr Aufklärung.“

Das alles sind Punkte, die wir als Konsumenten ausdrücklich unterstützen. Allerdings konterkarieren Sie diese Ansätze mit Ihrer Forderung vom 25.08.2025 nach einem Verbot von „Kinder-Geschmacksrichtungen“. Auch ihre Forderung nach einem generellen Aromaverbot nach dem Vorbild von Dänemark und den Niederlande vom 25.10.2025 ist ziemlich sinnbefreit. Sie werfen damit einen Stein ins Wasser, der unweigerlich weitere Kreise nach sich ziehen wird. Ein generelles Aromenverbot wird schon seit langem diskutiert – nicht nur in der deutschen Politik. Dabei wäre dieses gesundheitspolitisch mehr als kontraproduktiv. Das Problem ist keineswegs die E-Zigarette an sich, das Problem ist der mehrheitlich illegale Vertrieb von Lifestyle Produkten. Da helfen Verbote absolut gar nichts!

Da die WHO mit ihrer generellen Ablehnung aller Nikotinprodukte unbenommen ihres Schadenspotentials, also auch der E-Zigarette, sehr großen Einfluss auf diverse Verbände und weitere politische Akteure hat, verwundert es nicht, wenn die EU-Kommission und in Deutschland auch das DKFZ und das ABNR deren Haltung mit Nachdruck vertritt. Wir hatten dies bereits in unserem Artikel zum Weltnichtrauchertag im Mai thematisiert.

Eigentlich lehnten Sie ja, so sagten Sie, diese Verbotskultur aus guten Gründen ab. In Ihrem Interview mit der Zeit vom 28.08.2025 führen Sie die amerikanische Prohibition als Beispiel an, welche negativen Auswirkungen Verbote haben, sofern die Bevölkerung diese nicht in der Breite akzeptiert. Vor demselben Dilemma stehen wir auch bei der E-Zigarette. Sie ist jetzt in der Welt und sie wird nicht so einfach wieder verschwinden.

Ein Aromenverbot für Einweg-Vapes ist nur ein weiteres Topping auf ein häufig jetzt schon schon illegal vertriebenes Produkt.

Marktbeobachter schätzen den deutschen Marktanteil speziell von Einweg-Vapes am E-Zigarettenmarkt auf mindestens 50%. Die große Mehrheit davon werden illegal außerhalb des Fachhandels vertrieben. Neben der damit einher gehenden Steuerhinterziehung sind die illegal vertriebenen Geräte auch in großer Mehrheit in der EU nicht verkehrsfähig, so halten sie sich an kaum eine Sicherheits- oder Verbraucherschutzvorgabe. Genau hier liegt auch der Jugendschutz im Argen.

Der Verkauf von illegalen Einweg-Vapes gilt lediglich als Ordnungswidrigkeit mit einer Strafe von bis zu 1.000 EUR, ein Rahmen der zudem i.d.R. von kommunalen Kontrollbehörden nicht ansatzweise ausgeschöpft wird. Das ist geradezu lächerlich wenig und wird den meisten nicht wirklich weh tun. WENN es denn überhaupt verfolgt wird, was aktuell nur sehr selten passiert.

Die Politik hätte verschiedene Stellschrauben, um gerade diese Problem besser in den Griff zu bekommen:

  • Verstöße gegen das JuSchG beim Verkauf von E-Zigaretten müssen als Straftat gelten
  • Verlust der Gewerbeerlaubnis für Wiederholungstäter beim Verkauf an Minderjährige als rechtlichen Automatismus
  • Enge Zusammenarbeit Ihrer Behörde mit Verbraucher- und Branchenverbänden, um die Dichte an Testkäufen mit Minderjährigen zu erhöhen und Defizite in der Ahndung aufzuzeigen
  • Anpassung der Tabaksteuer je Produktkategorie nach Schädigungspotential und Verbraucher- und Jugendschutz
  • deutliche Anhebung der Steuer auf Rauchtabakprodukte
  • Mithaftung der sozialen Medien für die Verbreitung illegaler Inhalte

Im Vereinigten Königreich wird derzeit sogar intensiv über eine Fachhandelspflicht nachgedacht, um dem Problem des illegalen Vertriebs zu begegnen. Ein Ansatz, über den man hierzulande auch gern einmal nachdenken könnte.

 

Sie sind es als Wissenschaftler gewohnt, alle Studien und Quellen gewissenhaft zu prüfen und sich nicht nur auf vorgelegte und ausgewählte Informationen zu stützen. Nur so ergibt sich ein fundiertes Gesamtbild, das evidenzbasierte Empfehlungen erst ermöglicht. Genau diesen Wunsch haben wir an Sie als Beauftragten der Bundesregierung für Drogen- und Suchtfragen. Für weitere Gespräche stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

 

Bundesverband Rauchfreie Alternative e.V.

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Der BVRA e. V. ist ein unabhängiger Konsumentenverband. Wir setzen uns ein für die Tobacco Harm Reduction und eine Beurteilung aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

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